Die milden Spätsommertage laden ein, Kreta zu erkunden. Wir fahren über die Berge an die Nordküste, an Chania vorbei und weiter, ans westlichste Ende von Kreta. Nach Kastelli führt die Strasse am Fuss der Berge durch ausgedehnte Olivenhaine. Unter manchen Bäumen liegen die schwarzen Netze schon bereit, die Ernte beginnt früh in diesem Jahr. Vom Dorf Platanos fahren wir über die Hügelkuppe hinunter ans Meer nach Falassarna. Ein fast endlos langer Strand breitet sich unter uns aus. Am Hang hinter der weiten Bucht sind zwischen Treibhäusern und unzähligen Olivenbäumen die Häuser des Ortes verstreut, kleine Pensionen, Bungalows und Tavernen.
Wir klappen am Strand unser Dachzelt auf. Als die letzten Tagestouristen davonfahren, sind wir auf unserem Spaziergang fast ganz allein. Jetzt bläst ein kräftiger Westwind, der nicht nur Wellen ans Ufer, sondern auch dicke graue Wolken über den Himmel treibt. Wir haben unser Heckklappenzelt zuhause vergessen und der Boden ist so hart und steinig, dass gar nicht daran zu denken ist, unsere Spatz-Blache gegen Wind und Regen aufzustellen. Es gibt nur eins: Schnell kochen und hoffen, dass das Wetter hält, bis wir gegessen haben. Es hält. Und in der Nacht erweist sich das Dachzelt als ausserordentlich windtauglich. Draussen stürmt und bläst es, drinnen merken wir davon fast nur das Klackern der Reissverschlüsse.
In der Taverne „Golden Sunset“ ganz am Ende des Dorfes essen wir ein frühes Zmittag. Vor vielen Jahren war ich oft hier, und der Ort ist immer noch unverändert schön: Eine gemütliche Terrasse, farbige Tische und Stühle unter den ausladenden Ästen zweier hoher Feigenbäume; der Blick über die ganze Bucht, aufs Meer und in weiter Ferne die Inseln Antikythira und Kythira.
Es ist Zeit, weiter zu fahren. In unendlich vielen Kurven und Windungen schlängelt sich die Strasse um die Ausläufer der Weissen Berge herum südwärts. Viele Dörfer hier sind so winzig, dass nach dem Ortschild das Ortsende angegeben wird, ohne dass man dazwischen eine Siedlung erkannt hätte. Dann wird die Küste flacher und wir erreichen den südwestlichsten Punkt Kretas. Eine lange Sandbank verbindet den Strand mit der kleinen Insel Elafonisi – auf Deutsch: „Hirsch-Insel“ –, so dass man hinüber laufen kann. Der Sand ist hier weiss-rosa und besteht aus feinen Muschelstückchen, das Meer ist glasklar. Kein Wunder, dass dies einer der bekanntesten Strände Kretas ist. Von den Millionen Touristen, die diesen Ort sonst Jahr für Jahr heimsuchen, ist jetzt aber nichts zu merken. Auch hier sind wir fast allein.
Hinter dem Strand stehen zwischen Mastixbüschen und Johannesbrotbäumen einige Wohnmobile und Wohnwagen wie auf einem grosszügigen Campingplatz. Wir suchen uns einen windgschützen Ort zum Übernachten. Erst viel später entdecken wir auf dem Boden das abgerissene Schild, welches darauf hinweist, dass hier die ganze Gegend unter Naturschutz steht und Campieren streng verboten ist. Auch wenn das hier wohl niemanden kümmert, übernachten wir mit einem unguten Gefühl. Wir sind froh, als wir am nächsten Morgen weiterfahren und nehmen uns vor, die Plätze zum Übernachten künftig klüger auszuwählen.
Unsere letzte Station auf der kurzen Reise in den Westen Kretas ist Paleochora. Wir landen auf einem Campingplatz in der illustren Gesellschaft von alten Hippies und Wintergästen, aber zur Freude von Rosa und Stella gibt es hier einen Spielplatz und zu unserer Freude am Abend gutes Bier. In der Nacht hält mit Sturm und Gewitter der Herbst in Kreta Einzug. Auch jetzt überzeugt das Zelt: Drinnen bleibt es wohlig warm und trocken.
Zwischen Paleochora und Frangokastello liegen nur rund 50 Kilometer Küste. Weil es im Süden aber keine Strasse gibt, müssen wir wieder über Chania zurückfahren. Durch Regen, Sturm und Nebel umfahren wir die Weissen Berge. Als wir wieder in unserem Haus ankommen, ist der Sommer zu Ende.







Herzlichen Dank, Nadja, für Deinen poetischen Bericht über den Einzug des Herbstes auf Kreta. Das Übernachten im Zelt überlasse ich Euch gerne! Alles Gute weiterhin. Ich freue mich schon auf den nächsten Bericht!
Liebe Grüße Christa
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Hallo Nadja
So schön wie Du schreibst, ich kann gar nicht aufhören mit lesen.
Ευχαριστώ
Ich hatte einmal zum Namen Elafonisi recherchiert und möchte dir meinen Blogbeitrag dazu verlinken.
Liebe Grüsse aus Basel
https://kretainsider.blogspot.com/2019/08/lafonisi-uber-die-geschichte-des-namens.html?fbclid=IwAR1n6dU07Fpao_ZDZcRWuCjYZlurZkiG7vqDLTIF6VYgGdvBfMEqjFVbUcU&m=1
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Vielen Dank, liebe Veronika! Ich hatte mich über die Schreibweise Elafonisos auch wiederholt gewundert, das hat sich jetzt geklärt.
Liebe Grüsse!
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