Ein Garten – eine Oase

Ich gehe durch die Pforte und trete in den Garten von Vangelis Geronimakis. Nichts, was hier nicht wachsen würde! Der Ort ist eine Oase. Hohe, starke Olivenbäume, darunter üppiges Grün, durch das sich schmale Wege schlängeln, gleichzeitig Wildwuchs und Wohlordnung. Der Lavendel blüht schon, auch die Mandelbäume. Im Schatten der Oliven stehen in langen Reihen Kräuter– verschiedene Sorten Thymian, Majoran und Oregano, Petersilie, Rosmarin, Salbei und Diktamus, Johanniskraut und Currykraut. Geranien duften, die Zitronenbäumen tragen Früchte und stehen gleichzeitig bereits wieder in der Blüte.

Vangelis lebt im Dorf Agios Nektarios und ist einer unserer nächsten Nachbarn. Und er ist unsere erste Ansprechperson in Fragen zur Pflege der Olivenbäume, zur Ernte und überhaupt zur hiesigen Pflanzenwelt. Ausserdem hat er einen bemerkenswerten Weitblick über wirtschaftliche und politische Themen – gerade, wenn es um Griechenland und Kreta geht, sind wir immer wieder froh um seine Erklärungen und Einschätzungen der Lage.

Pflanzen, ihre Kultivierung und Verwendung haben Vangelis ein Leben lang begeistert. Als Junge lehrte ihn sein Grossvater über die Wirkungen der verschiedenen Kräuter. Später bildete sich der studierte Ökonom mit Büchern und in Seminaren zu Kräuterkunde und biologischer Landwirtschaft weiter. Heute gibt es kaum eine Blume oder ein Kraut, von denen Vangelis nicht weiss, ob sie giftig oder essbar ist, oder ob es sich gar um eine Delikatesse der kretischen Küche handelt. Und er kennt für viele Leiden Pflanzen, die heilen und Linderung verschaffen.

Als Vangelis das Land vor über dreissig Jahren übernahm, waren die Bedingungen für die Bewirtschaftung denkbar schlecht: Der Boden in der Gegend hier ist steinig und von Fels durchsetzt. Im Sommer brennt die Sonne erbarmungslos auf die Erde nieder, und nicht selten bläst der Nordwind mit sieben, acht Beaufort von den Bergen herab. Im Winter fällt oft heftiger Regen, der alles wegspült, was nicht tief in der Erde verwurzelt ist. Vangelis legte zuerst den Olivenhain an. Dann kamen die Kräuter hinzu, Obstbäume, Reben, Gemüse. Seit 2010 ist „Vagelis’ Farm“ als Botanischer Garten für Besucher zugänglich. Regelmässig kommen auch die lokalen Schulklassen mit ihren Lehrern in Vangelis’ Garten, um mehr über die kretische Pflanzenwelt zu erfahren. Zu der Anlage gehört auch ein Turm, in dem wechselnde Ausstellungen mit Skulpturen und Bildern stattfinden – zuletzt wurde etwa die Situation der Flüchtlinge auf den griechischen Inseln thematisiert.

Als Biobauer ist Vangelis auf Kreta ein rares Gewächs. „So wie ich arbeiten auf dieser Insel vielleicht vier, fünf Menschen,“ sagt er. „Wir verwenden hier weder Dünger, noch spritzen wir Pestizide oder Unkrautvertilger. Die Pflanzen befinden sich in einem biologischen Gleichgewicht miteinander.“ Anders als auf Kreta üblich, verbrennt Vangelis die abgeschnittenen Äste der Bäume nicht. Stattdessen häckselt er das Holz in feine Späne und verteilt sie unter den Bäumen, wo sie kompostiert werden. „Der Boden hier in der Gegend weist von sich aus keinen Humus auf,“ erklärt er. „Nachdem wir jetzt seit mehreren Jahren mit dem Kompost arbeiten, enthält die Erde hier über 5% Humus – das ist selbst in Mitteleuropa ein guter Wert.“

Der biologische Garten ist wesentlich arbeitsintensiver als die Olivenhaine der Nachbarn. Ausserdem stehen viele Einheimische einer alternativen Bewirtschaftung des Bodens mit Skepsis und Unverständnis gegenüber. Trotzdem ist Vangelis überzeugt: „Es lohnt sich. Wir tragen zu einer nachhaltigen Wirtschaft bei. Und wir erzielen hier gute Erträge in hervorragender Qualität.“ In guten Jahren produziert er vier- bis fünftausend Liter erstklassiges Bio-Olivenöl. Dazu kommen Essoliven, Salben aus Olivenöl und Bienenwachs und Olivenseifen. Im Sommer verkaufen Vangelis und sein Sohn Giorgos die Produkte aus dem Garten direkt im kleinen Laden an der Strasse. Marmelade und guten Raki gibt es hier. Und natürlich die Kräuter sowie die daraus gewonnenen ätherischen Öle und Urtinkturen. Dazu kommen Früchte und Gemüse – je nach Saison Feigen und Melonen, Trauben und Granatäpfel oder Orangen, Mandarinen und Zitronen.

Auf unserem Spaziergang durch den Garten pflückt Vangelis für uns einen Sack voll duftender Zitronen. Immer wieder bleibt er stehen und sticht irgendwelche Gewächse aus. Er putzt sie mit dem Messer und erklärt mir, welche Pflanzen gut zum Essen sind. Ich sammle die grünen Blätter in einem Sack. Immerhin den wilden Löwenzahn und das Hasenkraut kann ich mir merken. Dann wird es schon kompliziert. Vangelis lacht, als er meine Verwirrung bemerkt: „Nimm einfach nichts, was haarig ist oder komisch aussieht!“ 

Wir verlassen diesen wunderbaren Ort einmal mehr reich beschenkt.

3 Kommentare zu „Ein Garten – eine Oase

  1. Liebe Nadja, lieber Daniel, so schön von euren Erlebnissen zu hören. Eure Reise – ich war so skeptisch, und nun stellt sich heraus, dass es vermutlich das Beste war, was ihr in diesen Zeiten mit Familie habt unternehmen können.
    Bleibt fröhlich und gesund und seid sehr herzlich gegrüsst Helmute

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  2. Liebe Nadja und Familie
    Herzlichen Dank für diesen Bericht, er erfreut mein Herz, denn ich bin ja, wie ich bereits gesagt habe, ein Griechenland-Fan. All die guten Sachen, welche du da beschreibst und die man auch essen kann, all die feinen Zitronen, welche ich als die Besten empfinde, sie hier aber leider nirgends gefunden habe, denn im Grossverteiler kommen sie aus Italien oder Spanien. Es ist schön, dass ihr Griechenland geniessen könnt und ihr werdet immer wieder von all den Erlebnissen zehren können, wenn ihr nicht mehr dort seid.
    Bei uns wird die kommende Woche (15.03 – 21.03.2021) sehr kühl und der Wetterdienst meint, dass wir auch noch mit etwas Schnee rechnen müssen.
    Seid gegrüsst, habt es gut und lasst die griechische Sonne auf euch scheinen.
    Thomas H.

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  3. sehr schön, dieser mann und dieser garten, es sollte noch viel mehr davon geben, auch bei uns in der Schweiz….. hansruedi kämpft in seinem Familiengarten sehr stark für BIO und stösst mehrheitlich auf Unverständnis ….

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